Erste Aussage: Der Alleinstellungs-Anspruch, der von den literarischen Wutbürgern von Daniel Kehlmann , Felicitas Hoppe und Roger Willemsen über Michael Lentz und Charlotte Roche bis hin zu Sarah Ines Struck, Sylvia Frevert und Tilmann Spengler unter der Überschrift Wir sind die Urheber! Gegen den Diebstahl geistigen Eigentums initiiert worden ist, ist natürlich Anmaßung. Denn DIE Urheber sind sie nicht.
Doch diese Anmaßung verdeutlicht den Kern des Problems: Dass diese Urheber ihre Probleme für diejenigen sämtlicher Urheber halten. Andernfalls hätten sie geschrieben „Auch wir sind Urheber“. Aber das hätte ein wenig kläglich geklungen. Die moderne Moritat der Maschinenstürmer geht so:
„Das Urheberrecht ermöglicht, dass wir Künstler und Autoren von unserer Arbeit leben können und schützt uns alle, auch vor global agierenden Internetkonzernen, deren Geschäftsmodell die Entrechtung von Künstlern und Autoren in Kauf nimmt“, ist Kern ihrer Analyse und „Die alltägliche Präsenz und der Nutzen des Internets in unserem Leben kann keinen Diebstahl rechtfertigen und ist keine Entschuldigung für Gier oder Geiz“ die verklausulierte Forderung an die Welt, das Web, die Politik.
Im Kern sagen die Digitalmaschinenstürmer:
- Jeder Urheber kann eigentlich von seiner Arbeit leben
- Die Internetkonzerne nehmen den Urhebern dieses Geld weg
- Gefordert wird von den Internet-Verteidigern, den Diebstahl geistigen Eigentums zu legalisieren
- Hintergrund sind Gier und Geiz
Jede der Aussagen ist falsch. Und wenn die Piraten der Raubkopierer-Legalisierung geschmäht werden, dann schlägt man den Überbringer der schlechten Nachricht. Und die heißt: „Die Geschäftsgrundlage für Content-Produzenten hat sich verändert“.
Irrtum eins: „Jeder Urheber kann eigentlich von seiner Arbeit leben“
Richtig ist vielmehr: Noch nie konnten alle Urheber von ihrer Kunst leben
Laut statistischem Bundesamt waren in Deutschland im Jahr 2000 rund 322.000 erwerbstätige Musiker gezählt, 5.000 freiberufliche Schriftsteller und die Zahl der bildenden Künstler ist Legion: Die Auflage der großen Künstlermaterial-Kataloge geht in die Millionen. Doch der Schriftsteller Andreas Eschbach beispielsweise weiß: „dass weniger als 100 Autoren in Deutschland vom Schreiben allein leben können.„
Das deckt sich mit den Zahlen der Künstlersozialkasse . Dort sind diejenigen Urheber versammelt, die etwas professioneller am Markt agieren als die Mehrheit – darunter die meisten der rund 40.000 freiberuflichen Journalisten. Die KSK nennt im Jahr 2011 exakt 173.284 Urheber aus den Bereichen Wort, bildende Kunst, Musik und darstellende Kunst ihr Eigen. Das durchschnittliche Jahreseinkommen dieser besserverdienenden Urheber liegt bei 13.689 Euro – was einem Monats-Bruttoverdienst von 1.141 Euro entspricht. Durchschnittlich.
Das ist zwar noch oberhalb des Hartz-IV-Satzes, aber zeigt, dass heute wie früher nur wenige Künstler, Autoren, Urheber von ihrer Kunst leben können. Nur sind heute wesentlich mehr Menschen in die technische und zeitmäßige Lage versetzt, Inhalte produzieren zu können. Die überwiegende Zahl tut das allerdings kostenfrei – ein Teil deswegen, weil sie nicht gut genug sind.
Ein großer Teil, weil sie mit ihrer Kunst kein Geld verdienen wollen.
Das Mäzenatentum der vergangenen Jahrhunderte, als Päpste, Fürsten und später Industriemagnaten (einzelne) Künstler bezahlten, ist heute der Subvention gewichen, sei es
- beim Film: Im Jahre 2005 wurden in Deutschland rund 250 Millionen Euro für Filmförderung ausgegeben.
- bei der Musik: der Steuerzahler finanziert unter anderem 133 Sinfonieorchester und 88 Opern und Musiktheater. Die öffentliche Musikförderung erreicht jährlich eine Größenordnung von 2,5 Milliarden Euro.
- Den 525 Millionen Euro aus privater Hand standen laut dem Arbeitskreis Kultursponsoring beim Bund der Deutschen Industrie (BDI) zirka 8 Milliarden aus öffentlicher Kulturfinanzierung gegenüber. Rund 94 Prozent des deutschen Kultur- und Geisteslebens werden immer noch vom Steuerzahler bezahlt.
Zur Aufklärung der anderen drei Irrtümer bitte weiterlesen
im Original Artikel vom Autor: Joachim Graf
http://www.ibusiness.de/members/aktuell/db/080214jg.html