WATCH THIS! OFFF Barcelona 2016

Das Wichtigste in unserem Berufsleben als Designer ist Inspiration. Wer glaubt, dass man diese am besten im allwissenden Internet findet, liegt falsch. Das, woraus wir wirklich schöpfen, sind die Eindrücke, Emotionen, Erfahrungen und Erinnerungen, die wir gerade nicht vor unserem Computer sammeln, sondern in unserem alltäglichen Leben, auf Reisen, beim Experimentieren und Interagieren mit unserer Umwelt. Grund genug also, Alex lang gehegten Wunsch – am OFFF Festival in Barcelona teilzunehmen – in die Tat umzusetzen. Für 5 Tage flogen wir, Alex, Carolin und Thomas, nach Spanien, um Inspiration pur (und natürlich auch ein wenig Sonne) zu tanken!

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Doch was ist eigentlich dieses OFFF? Die 2001 als online-flash-film-festival zum ersten Mal veranstaltete Konferenz bietet weit mehr als der Name verspricht. Vom 26. bis 28. Mai 2016 lockte der einzigartige Mix aus innovativen und internationalen Gestaltern der Bereiche Film, Motiondesign, Kunst, Grafikdesign, Illustration, Typografie zum 16. Mal viele Kreative in die katalanische Hauptstadt. Natürlich wollen wir euch die vielen spannenden Einblicke, Eindrücke und Erlebnisse nicht vorenthalten und stellen euch einige unserer Highlights heute vor.

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Tag 1 – 26. MAI

Gibt es einen besseren Ort für eine Designkonferenz als ein Designmuseum? Wohl kaum. Das Museu del Disseny bietet dem OFFF Festival auch durch seine (Innen-)Architektur ein inspirierendes Zuhause. Dieses zu gestalten, zu bewerben und mit Leben zu füllen, war dieses Jahr die Aufgabe von zehn neuen Studenten des Ateliers, einer unabhängigen Designschule in Barcelona, die die Veranstaltung mit einer kreativen Explosion eröffneten. Sie präsentierten den Weg von ihren ersten Ideen, über hunderte von Entwürfen bis zur finalen Realisierung ihrer OFFF-Kampagne „WATCH THIS!“, für die sie mit vielen Designern der Konferenz zusammenarbeiten durften. Entstanden ist ein visuelles Erscheinungsbild – inspiriert vom digitalen Wahnsinn heutiger Zeiten, Teaser, Kurztrailer für die einzelnen Künstler, ein Buch sowie ein Eröffnungsfilm.

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Michael Chaise stellte in seinem fesselnden Talk das neue Photoshop-Feature „Content-Aware-Crop“ sowie das neue heiße Tool Adobe XD (Experience Design) vor. Wir sind gespannt, ob beides auch in Realität so gut funktionieren wird. Adobe bot als einer der Sponsoren außerdem allen Festivalbesuchern die Möglichkeit selbst kreativ zu werden. Auf iPads konnten mit Hilfe der mobilen Apps eigene Motive für den direkten Druck auf einen Erinnerungsbeutel gestaltet werden. Clevere Aktion!

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Um Innovationen geht es auch beim creativeapplications.net, einem Netzwerk, das Designern und Entwicklern eine Plattform bietet, sich über aktuelle und zukünftigen Fragestellungen und Wissen auszutauschen, neue Verbindungen zu knüpfen und Projekte zu präsentieren. Dabei kann es zum Beispiel um Generative Arts/Design oder Lichtinstallationen wie beim Projekt „Light Barrier“ von Kimchi and Chips gehen, aber auch um kritische Denkansätze, wie das Human-Animal Baby-Pet. Wo liegen die Grenzen der Technik und wie kann man Nutzen generieren, indem man die virtuelle mit der realen Welt verknüpft? Im Magazin HOLO veröffentlichen sie regelmäßig die neusten Ideen, erstaunlicher Weise im Printformat, um dem Digitalen etwas Beständiges entgegenzusetzen und die Dinge noch einmal aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten.

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Die Art, wie mit Wissen und Design umgegangen wird, hat sich essenziell verändert. Diese Entwicklung möchten Audi und die Agentur Vasava mit der Plattform „STOOOORM“ weiter voran treiben. Unter dem Motto „Share what you thought about“ geht es nicht nur darum, Ergebnisse von Designern und Kreativen zu teilen, sondern auch den kompletten Weg dorthin (samt offener Dateien) und so einen völlig neuen kollaborativen Gestaltungs-, Inspirations- und Lernprozess zu schaffen.

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Nach diesem Wirbelsturm an Ideen brachte uns die Grafikdesign-Ikone Paula Scher von Pentagram wieder zurück auf den Boden und gewährte uns tiefe Einblicke in ihre langjährige Arbeit als Gestalterin. Sie verantwortet z.B. seit Jahren die Gestaltung des Public Theaters und entwarf eine neue Visual Identity für die NYC-Beaches und das Philadelphia Museum of Art. Sie ist der Meinung, erst wenn Menschen mit Design interagieren und eine Beziehung dazu aufbauen, wird es effektiv. Gute Gestaltung entsteht laut Scher nicht durch Vorgaben in Design Manuals, sondern durch das „Human Manual“: See if it works, if not change it!

Manuals aren’t functional: if you are a good designer you don’t need a manual, if you are a terrible designer it doesn’t matter. Paula Scher

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Rama Allen (ECD von The Mill) ließ uns hinter die Kulissen von Produktionen wie z.B. die Titel Sequenz der Serie Vikings schauen und erklärte, warum Rituale in seinem Kreativprozess so wichtig sind. Er stellt sich zu Beginn z.B. immer eine Musik-Playlist für ein Projekt zusammen, denn Musik erzeugt Bilder in uns und erlaubt einen direkten emotionalen Einstieg in ein Thema.

Find your rituals – Your archive is the only thing you have as a designer. Rama Allen

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Tag 2 – 27. MAI

Die internationale Agentur Sid Lee begrüßte uns an Tag 2 mit der Aussage „We are all batman“. Gemeint ist damit, dass kein Kreativer einen 9to5-job hat, denn die wirklichen „passion projects“ (Gotham beschützen für Batman, eigene Projekte für Kreative) erledigen wir in unserer Freizeit. Sie stellten uns einige ihrer sogenannten passion projects (Kim Kardashian im MET Museum, dashboard.sidlee.com, Trump Against Humanity) vor, erklärten wie es die Arbeitsweise ihrer Mitarbeiter verändert und wie sie durch eigene Projekte Aufmerksamkeit auf Social Media Kanälen generieren.

What a group does with it’s billable time determines its income for the year. What it does with its non billable time determines its future. David Maister

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Ein Speaker, auf den sich Alex besonders gefreut hat, war das Hey Studio aus Barcelona. Sie lieben das Spiel mit Farben und Formen und sind bekannt für ihre reduzierten, oft sehr einfachen und klaren, aber sehr wirksamen Grafikdesignlösungen und Illustrationen. Aus Liebe für Details „basteln“ sie auch häufiger 500 Einladungen für den Art Fad Preis oder reißen Seiten aus Imagebroschüren für die Schuhmarke arrels, so wird jede Broschüre, wie ein Paar Schuhe zu einem Unikat.
Auch sie haben ein eigenes passion project „everyhey“, dem sie jeden Tag eine halbe Stunde Zeit widmeten. Daraus gewachsen ist ein Instagram Channel mit hunderten von Character Designs von berühmten Personen, eine Ausstellung und sogar ein Buch.

Hiro Murai produziert Musikvideos und Live Performances für internationale Musiker und zeigte seine Herangehensweise an Videos zu Flying Lotus – Never Catch Me ft Kendrick Lamar oder High Road von Cults. Auf jeden Fall sehens- und hörenswert!

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Absolut fesselnd war James White aka SIGNALNOISE, Vollblutillustrator und Kind der 80er, der gerade, weil er seinem Stil immer treu geblieben ist, so viel Erfolg mit seinen farbgewaltigen Bildern hat. Er ermutigte mit seiner eigenen Geschichte jeden selbstbewusst zu den eigenen Arbeiten zu stehen und diese mit anderen Menschen zu teilen. Denn „You don’t know where your work will lead you, if you don’t put it out there“ .

If form is our body, then color is our voice. And I want to scream as loud as I possibly can. James White

Hohe Erwartungen hatten wir an die am Vortag so hoch angepriesene Live-Performance von Joshua Davis und Kiran Gandhi (der Drummerin von M.I.A.). Live-Visuals reagierten in Echtzeit auf Gandhi’s Songs. Die älteren Semester unter uns (hiermit sind Thomas und Alex gemeint) erinnerte das ein wenig an Plugins für den Winamp Media Player ;)

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TAG 3 – 28. MAI

An Tag 3 überzeugte Tony Brook, CD des britischen Design Studios SPIN, mit dem Ministry of Sound Logo Relaunch. Verblüffend wie durch Reduktion die Marke trotzdem wiedererkennbar bleibt, aber viel moderner und flexibler einsetzbar wird. Tolle Bücher veröffentlicht er über den eigenen Verlag Unit Editions. Wir waren kurz davor, uns sein Buch „Spin: 360°“ für 100 Euro zu kaufen. ?

If a kid can’t draw a logo it’s not a good logo.
Tony Brook

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Polarisiert hat mit Sicherheit der momentan in Berlin lebende Fotograf und Filmemacher Matt Lambert. Gleich zu Beginn warnt er vor „Explicit Content“, denn seine Arbeiten sind nichts für zartbesaitete, er nimmt kein Blatt vor den Mund bzw. die Linse. Durch seinen erzählerischen, dokumentarischen Stil und seinem Fokus auf Themen wie Intimität, Jugend, Sexualität und Identitätsfindung sind seine Filme sehr intensiv und rufen unterschiedlichste Gefühle in einem hervor. Seht selbst: Musikvideo für Mykki Blanco – „High School Never Ends“ (ft. Woodkid).

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Mit den Gefühlen seiner Kunden spielt auch das Verkaufstalent Johnny Earle, der mit seiner weltweit ersten T-Shirt-Bakery Johnny Cupcakes Millionen macht. Sein Geheimrezept: Jedes seiner T-Shirts sowie sein Shop sind mit einem ganz bestimmten Erlebnis verbunden, dass seine Käufer so beeindruckt oder manchmal auch verärgert, dass er keinen Cent in klassische Werbung investieren muss. Die Kunden werben über Mundpropaganda selbst für die Marke.

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Wer dafür bezahlt wird, dass er Hasspostkarten an fremde Menschen schickt und illustriert, muss definitiv ein Genie sein. Mr. Bingo ist der lebende Beweis dafür. Was mit einer kleinen Nachricht auf Twitter begann, machte ihn und seinen Hate-Mail-Service bereits 2013 weltweit berühmt. In seinem Buch „ A Fucking Book“ veröffentlicht er nun seine Lieblingswerke. Die Kickstarter-Kampagne zur Finanzierung pushte er durch ein obercooles eigens produziertes Gangster-Rap-Video, in dem er persönlich natürlich die Hauptrolle spielt. Alles wirkt irgendwie absurd, aber auch fucking fantastic.

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Der letzte Speaker des OFFF Festivals 2016 war Timothy Goodman, der als Designer, Illustrator und Art Director in New York arbeitet und lebt. Eine seiner besten Freundinnen ist Jessica Walsh, mit der er einige Projekte/Selbstexperimente initiierte: 40 Days of Dating (Blog, Buch und vielleicht bald sogar ein Film), 12 ways of kindness, die für viel Aufsehen sorgten. Neben seinen Projekten mit Walsh ist er vor allem für Wandmalereien und seine TypoInstagram writing series bekannt geworden.

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FAZIT

Nach drei so aufregenden Tagen brauchte es etwas Zeit, um noch einmal alles Revue passieren zu lassen. Mitgenommen für unsere Arbeit als Designer haben wir vor allem, dass es nicht schlimm ist Fehler zu machen, denn du musst Fehler machen, um wirklich gut zu werden. Dass es wichtig ist, sich auszutauschen und mehr Zeit in eigene Herzensprojekte zu stecken.

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Fest steht, wir waren sicher nicht das letzte Mal in Barcelona. Der Early-Bird-Ticketverkauf für die nächste OFFF hat schon begonnen und wenn wir ehrlich sind, kribbelt es schon sehr in unseren Fingern.

Kommentare

  • MindOpen 17.6.2016, 10:56

    Habt Dank für Eure Reisegeschichte und die vielen hotten Beispiele. Der Herzschlag inmitten all der guten Gestaltung ist sooo zu spüren, nehmt den Mut, macht Fehler und Erfahrungen und zeigt, was ihr erstellt…
    LG, L

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